Brandest du noch oder agierst du schon?

Employer Branding ist sehr gefragt. Das zeigt sich nicht zuletzt in den vielen Stellenangeboten auf Indeed, Stepstone und Co. Gefühlt jede Firma, die etwas auf sich hält, hat heute einen oder gleich Dutzende Sachbearbeiter, Referenten und Leiter für das Thema Employer Branding abgestellt. Klar, denn hier schließt sich offenbar der Kreis aus Fachkräftemangel und War for Talents: Die eigene Firma für Arbeitnehmer attraktiv erscheinen lassen. Wobei das lassen das wichtigste zu sein scheint.

Um mal mit einer provokativen Frage ins Haus zu fallen:
Haben wirklich attraktive Employer Branding wirklich nötig?

Gutes tun und darüber berichten. Das ist ein großer Leitsatz im Marketing. Daran ist grundsätzlich auch nichts verkehrt. Aber Greenwashing wäre nicht so ein großes Thema, wenn das Überstrapazieren nicht an der Tagesordnung wäre. Hier ein Regenwald gerettet, da eine Schuleröffnung im Slum, dort ein großzügiges Weiterbildungspaket für Mitarbeiter. Das klingt vielversprechend, frohlockend und schon ein bisschen zu gut um wahr zu sein.

Wie die ausufernden CSR Reports großer Unternehmen reicht es auch bei der Arbeitgeberattraktivität nicht aus, einfach eine lange Liste großartiger USPs des eigenen Unternehmens herauszukristallisieren. Um wirklich großartig zu sein, muss man es auch tun. Es leben.

Was nützt der frischeste Obstkorb oder die neueste Spielekonsole, wenn diese Faktoren nur vom eigentlichen desolaten Zustand der Unternehmenskultur ablenken (sollen)? Was nützt eine Duz-Kultur und eine Sommerparty am Stadtstrand mit Limbo-Contest, bei der der gelenkigste Mitarbeiter eine Reise nach Bali gewinnen kann, wenn es hinter der Fassade brodelt, der Chef ein Choleriker ist und die neuen Kollegen Dienst nach Vorschrift machen?

Klar, auf den ersten Blick wird das sicherlich Eindruck schinden bei jemandem, der seinen Kaffee selbst brühen muss statt aus einer schicken Maschine einen Iced-Latte serviert zu bekommen. Aber können diese Faktoren die erste Zeit der rosaroten Brille überdauern?

Sollte sich das Thema Employer Branding nicht viel mehr erst einmal um die wirklich wichtigen Dinge wie die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter und die Unternehmenskultur kümmern? Statt außen hui, innen pfui einfach erstmal alles besenrein machen?

Wie mir scheint, wird das unter den gegebenen Umständen allzuoft vergessen. Da wird das Geschenkpapier nochmal aufgebügelt und ein selbstgebasteltes Schleifchen drangehangen. Nur hat keiner daran gedacht, dass das Überreichen eines solch opulenten Werkes selbst für den stärksten Mann zu einer Mammutaufgabe werden kann. Meine Mutter hätte dazu gesagt, dass kleine Geschenke, die aber von Herzen kommen, weil persönlich ausgesucht, immer die besseren Geschenke sind.

Und so sitzen wir alle in unseren coolen Offices mit Creative Space und naschen Ananas vom Obstlieferanten – natürlich schon in mundgerechten Stückchen serviert und bleiben der End of the Week After Work Sause fern, weil wir unsere Kollegen, mit denen wir vorhin hitzig im Meetingraum debattierten, weil ein jeder seinen Aufgabenbereich verteidigt statt zusammen zu arbeiten, einfach nicht noch länger sehen wollen. Wir lächeln in die Kamera für den neuen Imagefilm und erzählen im Bewerbungsgespräch den neuen Kandidaten, was für ein cooler Laden das hier wäre. Bis einer dieser Bewerber fragt, was wir denn am tollsten fänden, und uns nichts außer der Arbeitszeitsouveränität und dem wöchentlichen Home Office Tag einfällt und wir einsehen, dass es Zeit ist, etwas Neues zu wagen und uns selbst auf Stepstone wiederfinden. Und sich die Branding Maschinerie von vorn dreht…

Photo by Nik MacMillan on Unsplash
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